Written by U. Müller

Externe Projektleitung für ERP-Einführungen

Ist die Entscheidung für eine neue ERP-Software oder ein ERP-Reorganisationsprojekt (Reengineering) gefallen, beginnt die Projektarbeit. Ähnlich wie bei dem Auswahlprozess des richtigen Anbieters für die eigene Organisation, welches neben den Softwarefunktionalitäten ebenfalls von einer langfristigen und strategischen Partnerschaft abhängig ist, ist es insbesondere bei großen und komplexen Softwareeinführungen häufig sinnvoll, fachliche Expertise in Form externer Unterstützung in das ERP-Projekt einzubeziehen. Ob, wann und warum eine solche Entscheidung sinnvoll ist, wird in diesem Bericht ersichtlich.

 

Ist externe Unterstützung bei der ERP-Implementierung notwendig?

Nach der Beauftragung zum ERP-Projekt folgt dessen Implementierung, d. h. die Vorbereitung und Umsetzung seiner betrieblichen Nutzung von der Projektplanung bis zur Inbetriebnahme. Sowohl eine komplett neue ERP-Software als auch ein Upgrade einer neuen Version sind zu implementieren. ERP-Systeme sind sehr komplex und die Entscheidung für ein Systemwechsel ist sowohl mit einer hohen Investition von Geld und Zeit verbunden. Sowohl neue Funktionen als auch organisatorische Veränderungen sind innerhalb des Projektes zu definieren – Eine ERP-Implementierung ist eben kein einfaches Investitionsprojekt, sondern viel mehr ein Organisationprojekt.

Der ERP-Implementierungs- und Change-Prozess ist wie eine Operation am Herzen – man unterzieht sich diesem Vorgang nur, wenn es wirklich erforderlich ist.

In der Regel sind die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen im eigenen Unternehmen nicht verfügbar. Zwar besteht eine eigene IT-Abteilung evtl. sogar mit einem eigenen Entwicklungsteam, jedoch sollte das Wissen in den Bereichen ERP-Projektmanagement, Erfahrungen im ERP-Markt sowie Best Practice-Lösungen aus der Branche (Prozessfertigung, diskrete Fertigung, Bauhaupt-/Baunebengewerbe usw.) nicht unterschätzt werden. In solchen Fällen kann die Organisation Unterstützung von Implementierungspartnern oder Beratungsunternehmen, die sich auf ERP-Implementierungen spezialisiert haben, für das Projekt hinzuziehen.

Fachliches Know-How bei der Implementierung

Implementierungspartner bieten verschiedene Dienstleistungen im Zusammenhang mit ERP an. Zunächst können sie fachlich durch Best Practices beraten und so die Unternehmensprozesse verbessern. Zudem können Implementierungspartner diese Best Practices als Anforderungen für das ERP-System modellieren und somit sowohl die Prozesssicht als auch die Dokumentation berücksichtigen.

Es gibt drei Arten der Modellierung: Konfiguration, Lokalisierung oder Anpassung. Bei der Konfiguration werden die Parameter im ERP-System auf geeignete Werte eingestellt. Diese Parameter können sehr einfach sein, wie beispielsweise ein einfacher Parameter für die Anzahl der Tage zwischen dem Ablauf des Fälligkeitsdatums einer Rechnung und seiner Erstellung. Ein Beispiel für die Komplexität ist die Konfiguration verschiedener Benutzerprofile (Management, Verkaufsleiter, Mitarbeiter in der Produktion usw.) oder Berechtigungsstrukturen, die bis auf einzelne Datenfelder führen kann.

Durch die Lokalisierung wird das System an die jeweiligen Anforderungen einer geografischen Region und den damit verbundenen rechtlichen Forderungen angepasst. Ein Beispiel für eine Lokalisierung, die fast immer erforderlich ist, ist das Layout von Rechnungen. Die lokale Gesetzgebung verlangt häufig, dass eine Rechnung bestimmte obligatorische Informationen enthält, z. B. in den Niederlanden den vollständigen Namen der juristischen Person, welche die Rechnung versendet oder in UK die Firmennummer. Ein Beispiel für eine Lokalisierung, die nicht obligatorisch, aber häufig wünschenswert ist, ist das Hinzufügen eines Firmenlogos auf den Belegen.

Anpassungen erweitert die (Standard-) Funktionalität des ERP-Systems durch Programmierung. Anpassungen können die einzige Lösung sein, wenn das ERP-System die Anforderungen wesentlicher Prozesse nicht ausreichend unterstützt. Jedoch hat diese Art des Customizings den Nachteil, dass die Implementierung einer neuen Version des ERP-Systems erschwert wird, da die Programme nicht automatisch mit der neuen ERP-Version kompatibel sind und möglicherweise neu geschrieben werden müssen. (Hier gibt es auf dem ERP-Markt jedoch sehr unterschiedliche vorgehen. Einige Anbieter ermöglichen mit ihrer Technologie einen relativ einfachen Release-Wechsel im Vergleich zu anderen. Daher ist diese funktionale Anforderung bereits im Auswahlprozess zu hinterfragen und zu berücksichtigen.)

Welche Unterstützungen bieten externe ERP-Berater?

Neben der Beratung bei der Auswahl von Best Practices und der Modellierung können Implementierungspartner auch technisches Verständnis und Erfahrungen im ERP-Projektmanagement einfließen lassen. Schließlich können sie die Schnittstellen zwischen dem ERP-System und anderen Anwendungen erstellen und ebenfalls bei der Datenmigration vom vorhandenen Informationssystemen zum neuen ERP-System unterstützen.

Projektmanagement bei Software-Implementierungen

Eine Softwareimplementierungen ist eine durchaus individuelle Projektart. Denn sowohl Branchenerfahrungen (Prozesse, herzustellende Produkte, Markt Know-How) aus dem Umfeld des Auftraggebers, als auch der Umgang mit Softwareanforderungen sollten gegeben sein. Im Grunde fließen drei Perspektiven bei der ERP-Implementierung zusammen: Software und Prozesse, Organisation ERP-Anbieter und Auftraggeber, in dem die Software implementiert wird.

Sowohl die Projektorganisation als auch der Projektablauf unterscheidet sich zu “normalen” unternehmensinternen Projekten sehr. Die Organisation ist in der Regel eine Matrix-Organisation, da Key User und Auftraggeber neben dem operativen Tagesgeschäft zusätzlich Projektrollen besetzen. Es kommen völlig neue Anforderungen auf diese Personen zu, denn sie sollen bestehende Prozesse beschreiben und insbesondere auf Optimierungspotenzial hinterfragen. Zudem müssen sie in der Lage sein einen Changeprozess mitzuwirken und ein Soll-Konstrukt zu definieren. In Zusammenarbeit mit dem Consulting-Team werden Anforderungen konzeptionell zu erstellen sein, die auf Echtstart-Relevanz zu priorisieren und im unternehmensweitem Kontext zu bewerten sind. Zudem sind nachhaltige, zukunftsdefinierende (Investitions-)Entscheidungen zu treffen.

Die Projektumsetzung folgt meist einem Phasenmodell, in dem zunächst die Planungsphase / Initialisierung stattfindet. Ab der Organisationsphase beginnt die intensive Arbeit, in der spätere Konfigurationskonzepte definiert werden. Ist ein Feinkonzept als funktionale Prozessbeschreibung priorisiert und zur Umsetzung freigegeben erfolgt die Programmierung. Hier sind einzeln umgesetzte Arbeitspakete zunächst isoliert zu testen, bevor sie nach vollständiger Konzeptumsetzung innerhalb der Integrationstest auf ihre Zusammenhänge getestet werden. Diese Phase beinhaltet einige Herausforderungen im Projektmanagement, wie beispielsweise die detaillierte Kenntnis über den definierten Projekt-Scope, um Fragestellungen wie Nachbesserungen oder CR (Change Request) beantworten zu können. Zudem ist das Projektcontrolling in der Umsetzungsphase verhältnismäßig komplex, da die häufig agile Entwicklung zwar grobe Zeitaufwände (pro Arbeitspaket, Sprint und Konzept) schätzt, jedoch die Umsetzung nicht mit diesen Werten übereinstimmt. Diese Faktoren Leistung und Zeit sind dann mit dem Budget abzugleichen. Darüber hinaus sind weitere Aufgaben zu erledigen, die für ein Unternehmen nicht zum regelmäßigen Tagesgeschäft gehören, wie beispielsweise Schnittstellen zu angrenzenden Systemen (Fibu, MES, Webshop usw.) umsetzen, Integrationstests leiten, Schulungen für sämtliche ERP-Endanwender planen und durchführen, Datenbereinigung und Datenimporte verantworten oder einen System-Echtstart für alle Anwender begleiten.

Dies sind nur wenige Beispiele für das Projektmanagement von ERP-Einführungen, die sich durch weitere Schnittstellen zu anderen Systemen, Berücksichtigung von verschiedenen Standorten und Ländern, Risikoanalyse, rechtlichen Rahmenbedingungen von Software usw. ergänzen lassen.

Kostenstrukturen bei ERP-Dienstleistern

Für Implementierungsleistungen gibt es verschiedene Vertragsformen. Eine ist “Zeitmaterial” als Berechnungsgrundlage. In dieser Vertragsform stellt der Auftraggeber, d. h. das Unternehmen, welches ein ERP-System implementieren möchte, den Implementierungsberater für einen vereinbarten Stundensatz (bzgl. Tagessatz) ein, der durch die Erstattung von Reisekosten und anderen Kosten ergänzt wird. Der Implementierungspartner erbringt seine Dienstleistungen nach bestem Wissen und Gewissen und hat keinen Anreiz, die Implementierung so schnell wie möglich abzuschließen. Das Risiko, das Implementierungsbudget zu überschreiten oder die geplante Implementierungszeit zu überschreiten, liegt vollständig beim Auftraggeber.

Eine andere (extreme) Vertragsform, die das Risiko vollständig auf die Seite des Implementierungspartners stellt, ist der Festpreis-Festpreisvertrag. Diese Vertragsform ist jedoch nur mit einem Software-Hersteller möglich. Der Implementierungspartner verpflichtet sich hierbei, die Implementierung vor einem bestimmten Datum und zu einem vereinbarten fest vereinbarten Betrag abzuschließen. Diese Vertragsform hat einen wichtigen Nachteil: Um effektiv zu sein, muss das genaue Ergebnis der Implementierung im Voraus eindeutig festgelegt und vertraglich vereinbart werden, was für eine ERP-Implementierung sehr komplex ist.

Gemischte Vertragsformen wie eine Zeit-Material-Scoping mit anschließender Festpreisimplementierung werden immer beliebter. Eine andere Form, ist der Bonus-Malus-Vertrag. Bei dieser Art von Vertrag werden zwischen dem Auftraggeber und dem Implementierungspartner ein Zieldatum und ein Zielbudget vereinbart. Wenn die Implementierung billiger oder schneller durchgeführt wird, erhält der Implementierungspartner einen Bonus. Wenn andererseits die Implementierung teurer als das Zielbudget oder verspätet geliefert wird, kann der Auftraggeber einen Malus geltend machen. Auf diese Weise wird das Risiko einer Abweichung von den geplanten Kosten und dem Liefertermin zwischen dem Auftraggeber und dem Implementierungspartner aufgeteilt, und beide Parteien haben einen Anreiz, die Implementierung rechtzeitig und innerhalb des Budgets abzuschließen.

ERP-Projektleitung und Beratung durch Beratungsfirmen

Es gibt mehrere Kategorien von Implementierungspartnern. Erstens bieten einige ERP-Anbieter zusätzlich zu ihren Lizenzen Implementierungsservices an. Oracle für Oracle Financials und SAP hat damit experimentiert. Zweitens haben die großen Beratungsunternehmen, die Tausende von Unternehmensberatern beschäftigen, häufig ihre Praktiken für Implementierungsservices für ein oder mehrere ERP-Systeme. Beispiele für diese Unternehmen sind Accenture und IBM Business Consultants oder Capgimini. Drittens gibt es kleinere Beratungsunternehmen mit zehn bis einhundert Beratern, die auf Implementierungsservices für einen bestimmten ERP-Lieferanten spezialisiert sind. Beispiele für diese Unternehmen in Europa sind Magnum Management Consultants, die auf SAP spezialisiert sind oder Quistor, die auf JD Edwards spezialisiert sind. Schließlich gibt es viele Ein-Mann-Unternehmen, die ERP-Systeme implementieren, manchmal direkt für Unternehmen, die ERP implementieren, aber häufiger als Subunternehmer für eine der größeren Parteien.

Auf den ersten Blick ist ein externes Audit-/(Wirtschafts-)Prüfungsunternehmen eine vielversprechende Option für ERP-Implementierungsservices. Dieser Partner kennt die eigene Organisation gut und die Implementierung kann eine offensichtliche Erweiterung des bereits angebotenen Dienstleistungsportfolios sein. Aufgrund der zunehmenden Strenge der Unabhängigkeitsregeln von Prüfungsorganisationen sind die meisten jedoch nicht bereit, eine ERP-Implementierung für Kunden durchzuführen, bei denen sie auch die Finanzprüfung durchführen. Ebenfalls liegt auch der Fokus ihrer Expertise nicht in dieser Projektart.

Implementierungspartner unterscheiden sich in Qualität und Preis. Der Preis hängt von der Breite der erforderlichen Dienstleistungen ab. Für internationale ERP-Implementierungen kann es relevant sein, dass die Implementierungsberater einen einheitlichen Implementierungsansatz verwenden und gleichzeitig sicherstellen, dass die Implementierung den lokalen Anforderungen entspricht. Parteien, die diese weltweiten Implementierungen verwalten können, sind natürlich nicht die günstigsten auf dem Markt. Für große Implementierungen sind entsprechend große Beraterteams erforderlich.

Die Qualität der Dienstleistungen hängt häufig mehr von der Erfahrung und dem Wissen des einzelnen Beraters ab als von dem Unternehmen, in dem diese Person beschäftigt ist. Wenn zwischen einem einzelnen Implementierungsberater und der Implementierungsorganisation eine gute Übereinstimmung besteht, kann es sich lohnen, einen längerfristigen Vertrag abzuschließen. Projekte werden mit Menschen gemacht und insbesondere diese Ebene sollte nicht unterschätzt werden.

Ein ERP-Projekt ohne externe Unterstützung?!

Unternehmen können ERP-Systeme auch ohne die externe Unterstützung eines Implementierungspartners selbst implementieren. Dieser Ansatz ist nur dann praktikabel, wenn die Mitarbeiter selbst mit ERP-Implementierungen im Allgemeinen und dem ausgewählten ERP-System im Besonderen bestens vertraut sind. Es besteht auch die Möglichkeit, eine erste Implementierung mit umfassender Unterstützung durch Implementierungspartner durchzuführen und spätere Versionen oder zusätzliche Module mit eigenem Personal zu implementieren. Es ist ebenfalls möglich, dass eigene Mitarbeiter die Implementierung durchführen, während ein externer Implementierungspartner auf Abruf verfügbar ist.

Für Unternehmen, die einen ERP-Partner unter Vertrag nehmen, ist es sehr wichtig, ganz klare Bedingungen zu definieren. Die Kosten des Implementierungspartners machen fünfzig bis neunzig Prozent der gesamten ERP-Implementierungskosten aus. Diese Kosten sind ebenfalls zu kontrollieren und die Kosten für die eigentliche ERP-Implementierung – so offen muss man sein – übersteigen häufig die budgetierten Beträge. Darüber hinaus hat die Qualität des Implementierungspartners einen großen Einfluss auf den Erfolg des Implementierungsprojekts. Es ist daher wichtig, eine wohlüberlegte Wahl für einen bestimmten Implementierungspartner zu treffen, basierend auf Kosten, Kontinuität, persönlicher Passform, Erfahrungen und Qualität.